Montag, 4. Mai 2015

10 CHF für Papierrechnung

Der Trend, für Papierrechnungen eine Gebühr zu verlangen, treibt mitunter wilde Blüten. 


Rechnungen auf Papier sind immer häufiger nicht mehr gratis zu haben. Foto: H.-B. Huber (Keystone) 

Rechnungen auf Papier sind immer häufiger nicht mehr gratis zu haben.

Der vorliegende Fall von Walter Spieler (Name geändert) mag eine Ausnahme sein. Sowohl was die Höhe der verlangten Rechnungsgebühren angeht als auch den ruppigen Umgang des Anbieters mit dem Kunden. Doch er zeigt, wie schwierig es sein kann, sich als Kunde zu wehren, wenn Dienstleistungsanbieter den Vertrag ändern und für ihre Leistungen plötzlich mehr verlangen, ohne etwas Zusätzliches zu bieten.

Spieler ist langjähriger Abonnent des Internetdienstleisters Green.ch. Die Firma gehört zu den kleineren der Telecombranche und verfügt nach eigenen Angaben über einen Stamm von 100'000 Kunden. Vor ein paar Monaten kündigte Green.ch an, für eine Rechnung auf Papier künftig 10 Franken Gebühr zu verlangen, und begründete dies mit den Kosten, die durch das Erstellen und den Versand der Rechnungen entstünden.

Damit war Spieler jedoch nicht einverstanden. Er teilte seinem Provider umgehend per Telefon und auch per E-Mail mehrfach mit, er sei nicht gewillt, diese verkappte Preiserhöhung hinzunehmen, auch sehe sein Vertrag keine solche Gebühr vor. Doch Green.ch blieb beim Entscheid und verwies Spieler auf die Möglichkeit der elektronischen Rechnung, wenn er seine Fakturen weiterhin gratis erhalten wolle.

Als die erste gebührenpflichtige Rechnung eintraf, beglich Walter Spieler nur die Kosten für seinen Internetanschluss, nicht aber die Gebühr. Auch gegen die Mahnung wehrte er sich, worauf der Provider ihm zusicherte, bis auf weiteres nichts zu unternehmen.

Doch Anfang April stand Spieler plötzlich ohne Internetverbindung da. Weil er als Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebs nicht darauf verzichten konnte, sah er sich schliesslich gezwungen, die Gebühr von 10 Franken umgehend bei der nächsten Poststelle einzuzahlen. Darauf wurde seine Internetverbindung wieder aktiviert.

Über das Verhalten seines langjährigen Providers ist Spieler empört und will den Vertrag kündigen. Bei Green.ch ist man sich indes keines Fehlverhaltens bewusst und verteidigt gegenüber dem TA das Vorgehen in diesem Fall. Gleichzeitig teilt Sprecherin Cornelia Lehne mit, man habe die Gebühr für Papierrechnungen inzwischen auf 2 Franken gesenkt, zahlreiche Kunden hätten nun auf E-Rechnung umgestellt, wodurch man die Kosten habe senken können. Damit räumt der Internetdienstleister ein, dass die tatsächlichen Kosten für eine Papierrechnung keinesfalls eine ­Gebühr von 10 Franken rechtfertigten.

«Eine Frechheit»
Der Trend, für Papierrechnungen eine zusätzliche Vergütung zu verlangen, ist insbesondere in der Telecombranche seit ein paar Jahren verbreitet. Zwar geht kein Unternehmen dabei so weit wie Green.ch: Für eine normale Papierrechnung müssen die Kunden von Sunrise, Orange und UPC Cablecom zwischen 2 und 3 Franken bezahlen. Eine detaillierte Auflistung kostet bei Orange pro Jahr aber bis zu 60 Franken. Als einzige der grossen Telecomfirmen verzichtet die Swisscom auf Rechnungsgebühren. Sie wählt den umgekehrten Weg und belohnt diejenigen mit Gutschriften, die freiwillig auf die Papierrechnung verzichten. Doch das wollen die wenigsten: Rund 80 Prozent der Kunden erhalten eine Rechnung auf Papier, die Hälfte will beides: Papier- und E-Rechnung, teilt die Swisscom auf Anfrage mit. 

Auch bei den Kreditkartenherausgebern greift das Gebührenmodell um sich. Besitzer einer SBB-Kreditkarte zahlen seit Neuestem ebenfalls 2 Franken, wenn sie die Faktura auf Papier haben wollen, und Inhaber einer Cumulus-Kreditkarte der Migros erhalten seit Anfang Jahr ihre Rechnung nur noch gegen einen zusätzlichen Betrag von 1.50 Franken per Post zugestellt. Gratis ist die Papierrechnung jedoch für jene, die eine Supercard-Kreditkarte von Coop haben.

Die Unternehmen rechtfertigen die Gebühren mit den zusätzlichen Kosten, welche die Papierrechnungen verursachen. Doch bei Kunden und Konsumentenschutzorganisationen stösst das Vorgehen regelmässig auf Kritik. Zuletzt etwa, als UPC Cablecom ankündigte, auf Anfang 2015 die Rechnungsgebühren auf 3 Franken zu verdoppeln. Auch Ralf Beyeler, Telecomexperte beim Vergleichsdienst Comparis, findet es «eine Frechheit», wenn Kunden für eine selbstverständliche Grundleistung wie die Rechnung zahlen müssten.

Doch wie können Kunden sich wehren? Solange sie vor Abschluss eines Vertrags wissen, dass Gebühren anfallen, haben sie zumindest theoretisch die Wahl, diese zu akzeptieren oder auf einen andern Anbieter auszuweichen.

Schwierig wird es, wenn die Gebühren erst nachträglich eingeführt oder geändert werden. Dabei handle es sich um eine einseitige Vertragsänderung, sagt Arnold Rusch, Rechtsanwalt und Privatdozent für Zivilrecht an der Uni Zürich. Wer als Kunde nicht einverstanden ist, müsse dies explizit kundtun. Dann sei es Sache des Dienstleistungsanbieters, zu handeln: Entweder er akzeptiere die Weigerung des Kunden, oder er kündige seinerseits den Vertrag, sagt Rusch.

Kunde als «Gratis-Hilfskraft»
In der Praxis funktioniert dies aber oft nicht, wie auch der Fall von Walter Spieler zeigt. Spieler hat seinem Internetprovider mehrfach mitgeteilt, er akzeptiere die neue Gebühr nicht und beharre auf dem Vertrag. Green.ch hat dies ignoriert und ihm stattdessen die Leistung verweigert. Ähnliches erlebten unlängst Inhaber der SBB-Kreditkarte, die sich gegen die neuen Rechnungsgebühren wehrten. Die SBB sperrten kurzerhand die Karten dieser Kunden, wie das Konsumentenmagazin «Saldo» berichtete.

Die Dienstleistungsanbieter berufen sich für ihr Vorgehen jeweils auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Diese enthalten meist eine Klausel, mit der sich die Unternehmen das Recht herausnehmen, laufende Verträge zu ändern. Die Kunden müssen dann selber kündigen, wenn sie mit der oft kurzfristig angekündigten Änderung nicht einverstanden sind.

Gültig seien solche Änderungsrechte in den AGB aber nur, wenn sie nicht zu einem Ungleichgewicht führten, also die Kundinnen nicht übermässig benachteiligten. Diese Voraussetzung sei oft nicht erfüllt, auch im Falle von Green.ch nicht, sagt Rechtsexperte Rusch. Die AGB von Green.ch ermöglichten dem Dienstleister nämlich, diese beliebig anzupassen. Und selbst wenn die Änderungsrechte gültig wären, fragt sich, ob dann auch die Gebühren zulässig sind. Bislang gebe es keine entsprechenden Gerichtsurteile, weshalb die rechtliche Lage in Sachen AGB in der Schweiz nach wie vor nicht geklärt sei, sagt Rusch.

Viele Kunden geben offenbar dem Druck der Anbieter nach und steigen auf elektronische Rechnungen um. Das kann mühsam und aufwendig sein: Man muss auf dem Kundenportal jedes einzelnen Anbieters ein Internetkonto einrichten und dieses dann selber verwalten. Oder wie es ein TA-Leser ausdrückt: «Ich werde so zur Gratis-Hilfskraft des Dienstleistungsanbieters degradiert, indem dieser seinen administrativen Aufwand einfach an mich auslagert.»

Quelle: Tages-Anzeiger 19.4.15

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